Sonntag, 1. April 2012
sonderbar
In einem Buch habe ich gelesen, dass pflegende Angehörige "sonderbar" werden. Damit ist gemeint, ihr Verhalten ist der Umwelt nicht (mehr) verständlich. So fühle ich mich auch oft: Ich kann mich nicht verständlich machen oder habe keine Lust, Erklärungen abzugeben. Es nervt mich, wenn mein Vater im 86. Lebensjahr ständig jammert, er könne nicht mehr so, aber gleichzeitig von einem Ausflug für einen ganzen Tag in eine fremde Stadt erzählt. Das kann mein Mann zur Zeit nicht. Oder eine Freundin aufgrund ihrer Arbeitsbelastung eine bestimmte Ausstellung nicht besuchen kann. Na und! Die Sorgen möchte mein Mann haben. Ich kann es nicht mehr hören, vermeide Telefonate und ziehe mich von Verabredungen zurück. Ich habe keine Lust, mich mit den Sorgen und Ängsten von anderen zu beschäftigen. Ich bin ungeduldig - was kann mein Vater dafür, dass mein Mann Krebs hat - und belehrend - was ist schon eine Ausstellung im Vergleich zum nahen Lebensende - und ungerecht. Aber kann ich überhaupt gerecht sein? Ich fühle mich oft einsam und Gespräche ändern daran gar nichts. Ein Teufelskreis?

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Du Liebe!

Du hast eine ganz enorme Last auf Deinen Schultern. Damit meine ich nicht Pflege, sondern die ständige Erfahrung, dass immer weniger geht und dass Du miterlebst, wie viele Schmerzen Dein "Ein und Alles" ertragen muss ...

Dass Du in dieser Lebensphase sehr schnell "ungerecht" "über-reagierst" ist aus meiner Sicht kein Wunder.

Ich kenne die Geschichte einer Frau, deren Kind nach einem Koma ständig in Lebensgefahr war. Das Kind war herzkrank und hatte Epilepsie. Entweder es kam ein Epilepsieanfall oder eine Herzattacke. Rund um die Uhr war Stress angesagt. In den lebensbedrohlichen Momenten war sie für ihr Kind wie ein "Fels in der Brandung". Verlässlich. Immer da. Sie regelte mit ganz gezielter Atmung ihren eigenen Puls runter. Das Kind hatte bei diesen Herzattacken einen Puls von mehr als 240 (da hörte der Herzatem-Monitor auf - weiter ging dessen Skala nicht); im Krankenhaus wurden u. a. 330 gemessen - endlose 5 Minuten lang.

Diese Frau stand also ähnlich wie Du unter ständigem Stress und war sicher alles andere als pflegeleicht für ihre Umwelt.

Sie bestellte beim Bäcker Brötchenrohlinge vor, damit sie zwischendurch nach den Anfällen was "Warmes" essen konnte - sie schob sich dann also immer ein Brötchen in den Backofen. Tja, nun kam es ab und an vor, dass in der Bäckerei zur vereinbarten Zeit die Rohlinge nicht verpackt bereit standen ... was geschah wohl? Die arme Bäckersfrau bekam die geballte Ladung des Überreagierens ab ... (Jahre später hatte sich diese Frau übrigens für ihr Verhalten entschuldigt - sie hatte es erst viel später beim Reflektieren geschnallt, was sie da so alles "Komisches" verzapft hatte).

Mache Dir also keinen Kopf! Sei nicht böse mit Dir. Du bist nicht grundlos manchmal gemein zu Deiner Umwelt.

Ich schicke Dir zu Ostern ganz liebe Gedanken (passend in Ei-Form und mit hübschen Schleifchen verziert) ...

Zarina

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